Karriere-News

Auf Führungskräfte wartet der "heiße Stuhl"

Ca. Vier Wochen nach Antritt müssen sich die Führungskräfte von Patrizia Immobilien den Fragen ihrer Mitarbeiter stellen. Beim "heißen Stuhl" bleibt die Identität der Fragensteller verborgen.

Ca. Vier Wochen nach Antritt müssen sich die Führungskräfte von Patrizia Immobilien den Fragen ihrer Mitarbeiter stellen. Beim "heißen Stuhl" bleibt die Identität der Fragensteller verborgen.

Bild: Fotolia.de/Lom

Karriere 23.08.2012
Die Wirtschaft steht nicht still und auch nicht ihre Akteure, die Unternehmen. Sie verändern sich kontinuierlich. Erhöht sich das Tempo der Veränderungsprozesse jedoch, ist das eine ... 

Die Wirtschaft steht nicht still und auch nicht ihre Akteure, die Unternehmen. Sie verändern sich kontinuierlich. Erhöht sich das Tempo der Veränderungsprozesse jedoch, ist das eine Herausforderung nicht nur für die Mitarbeiter, sondern auch für die Personalabteilung. Mit welchen zahlreichen Methoden Patrizia Immobilien seinen Wachstumsprozess intern begleitet, erläutert Personalleiter Peter Jaksch. Dabei setzt er auch auf so ungewöhnliche Methoden wie den "heißen Stuhl".

Patrizia Immobilien wächst: Neue Geschäftsfelder, neue Produkte, neue Investoren, neue Unternehmen und neue Auslandsmärkte sind in den letzten Jahren dazugekommen. Ursprünglich hatte das 1984 von Wolfgang Egger in Augsburg gegründete Unternehmen als Wohnungsprivatisierer angefangen, heute ist es auch im Gewerbebereich und im Fondsgeschäft tätig und ist vom Investment über die Projektentwicklung bis zum Asset-Management in vielen Geschäftsfeldern aktiv. Allein die Zahl der Assets under Management hat sich von einer halben Milliarde Euro im Jahr 2005 auf 7 Mrd. Euro in diesem Jahr erhöht. Doch nicht nur das Geschäftsvolumen ist gewachsen, sondern auch die Zahl der Mitarbeiter: 2002 zählte Patrizia 159 Beschäftigte, 2012 waren es dann schon 536. Wie werden die Mitarbeiter bei diesem Veränderungsprozess "mitgenommen"? Patrizia hat dafür auf mehrere organisatorische und kulturelle Bausteine gesetzt.

Begonnen wurde mit der Personalabteilung, die neue Kompetenzen zugesprochen bekam und damit zum aktiven Gestalter des Veränderungsprozesses wurde. Der Personalbedarf ist hoch und so wurde das Personalmarketing aktiv aufgebaut, denn allein im Frühsommer hatte das Unternehmen 70 Stellen ausgeschrieben.

Feuerprobe für Führungskräfte ist der "heiße Stuhl"

Für alle neuen Mitarbeiter gibt es einmal im Monat einen Einführungstag. Mit dabei ist auch ein Vertreter der Geschäftsführung. Wer eine Führungsrolle übernimmt - egal ob er intern oder von außen ins Unternehmen gewechselt ist -, auf den wartet nicht nur ein individueller Einarbeitungsplan, sondern auch der "heiße Stuhl". Vier bis sechs Wochen nach seinem Arbeitsbeginn muss sich die Führungskraft seinem Team noch einmal vorstellen und dabei auch preisgeben, was für ein Typ er oder sie eigentlich ist. Auch sein Team stellt sich ihm vor, dann geht es um Fach- und Sachthemen. Der Manager befragt sein Team, was aus deren Sicht gerade aktuell anliegt, und dann geht es für ihn auch schon auf den "heißen Stuhl". Das Werkzeug könnte auch heißen, "Was Sie schon immer über Ihre Führungskraft wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten". Alle Mitarbeiter schreiben ihre Fragen an den neuen Chef völlig anonym auf Karteikarten. Ein Moderator, meist jemand aus der Personalabteilung, sammelt die Karten mit den Fragen ein und stellt sie dann der Führungskraft im Beisein des Teams. Es gibt nur zwei Regeln: Erstens dürfen die Mitarbeiter alles fragen, was sie wollen. Und zweitens, darf die Führungskraft antworten, wie sie will. Wenn sie sagt, "das geht euch gar nix an", dann kommt die nächste Frage dran. Rückfragen sind nicht erlaubt. "Das ist schon immer ein Highlight, und es positioniert die Führungskraft in der Regel richtig gut", sagt Jaksch. Allerdings bereitet seine Abteilung die Chefs auch gut darauf vor, was für Fragen kommen könnten. Das reicht von der Erkundigung nach den Urlaubsgewohnheiten bis hin zu der Frage, welchen drei Mitarbeitern die Führungskraft eine Gehaltserhöhung geben würde. Witz, Charme und Schlagfertigkeit sind dann gefragt, um das Team auf sich einzuschwören. Das Schlimmste, was passieren kann, ist wenn die Führungskraft rumdruckst und rote Ohren bekommt. Jaksch sorgt dafür, dass die Manager vorher auch einmal über Themen nachdenken, die nur sie kennen. Die schwierigsten Kandidaten sind die, die sagen, "kein Problem, das mach' ich schon" (siehe Artikel "Onboarding auch für Profis").

Das ist nur eine von vielen Maßnahmen, die darauf zielen, die Unternehmenskultur während des Veränderungsprozesses weiterzuentwickeln und die Mitarbeiter zu integrieren. Die interne Kommunikation spielt dabei eine sehr große Rolle: Nach der Prozesssteuerung (26%) wird Kommunikation als zweitwichtigster Faktor genannt, der über Erfolg oder Misserfolg eines Veränderungsprozesses entscheidet. Das sagen 22% der Befragten der aktuellen Mutaree-Umfrage. An der Untersuchung nahmen 119 Unternehmen verschiedener Branchen bundesweit teil. Der Faktor Führung belegte Rang drei (15%), dicht gefolgt von dem Bereich Kultur und Werte (14%).

Jährliche Mitarbeiterbefragungen werden durchgeführt

Diesem Einfluss der Kommunikation ist sich Patrizia offenbar bewusst und setzt ein ganzes Bündel an Kommunikationsmitteln und -kanälen ein: Massiv ausgebaut wurde das Intranet, es gibt eine Mitarbeiterzeitung sowie regelmäßige Fachvorträge von Mitarbeitern und informellere Treffen, bei denen gekickert wird oder eine Motorradtour geplant ist. Auch die Geschäftsleitung hat solch einen jour fixe.

2010 wurde zudem zum ersten Mal eine Mitarbeiterbefragung durchgeführt, um alle Beschäftigten in die Unternehmensentwicklung einzubeziehen. Die Ergebnisse, auch die kritischen, wurden offen und schnell kommuniziert - und die Befragung jährlich wiederholt. Die Ergebnisse verbesserten sich und bestätigten Jaksch in seinem Kurs. Aus der ersten Befragung kamen auch Anstöße für die neuen Unternehmens-Leitlinien, die dann von der Geschäftsleitung rund sechs Monate später in ihre Endfassung gegossen wurden. "Das waren lange Sitzungen", erinnert sich Jaksch. Teilweise sei um jedes Wort gerungen worden. Fünf Führungsgrundsätze und fünf Regeln der Zusammenarbeit bilden nun die Leitplanken, an denen sich alle orientieren müssen. Sie stehen auf jedem Schreibtisch und sind Teil des jährlichen Mitarbeitergesprächs. Durch die Leitsätze hätten sich alle auch ein bisschen angreifbarer und damit auch kritikzugänglicher gemacht. Vorgestellt wurden sie von der Geschäftsleitung auf dem ersten Mitarbeitertag - und von den Führungskräften auf ihr eigenes Handeln bezogen dargestellt. "Das war sehr spannend und sehr kulturstiftend", sagt Jaksch. Doch Jaksch weiß, dass ein Kulturwandel Zeit braucht. Nicht jeder ist damit einverstanden und zwei, drei Führungskräfte haben das Unternehmen verlassen. Doch die Führungsmannschaft steht stabil hinter dem neuen Kurs und seit Jahren gab es im Vorstand keinen Wechsel mehr.

Für die Patrizianer, wie sich die Mitarbeiter nennen, bietet das Wachstum auch neue Chancen. Zum jährlichen Mitarbeitergespräch gehört dann auch die Frage "wo willst du hin?" Bereits im Gespräch werden dann mögliche Entwicklungsmaßnahmen angedacht. "Mitarbeiter wollen am Wachstum teilhaben, vor allem über neue Entfaltungsmöglichkeiten", ist sich der Personalleiter sicher.

"Mitarbeiter wollen am Wachstum teilhaben, vor allem über neue Entfaltungsmöglichkeiten."

Entwickelt wurde auch ein neuer interner Wechselprozess, der zunächst verdeckt in Kooperation mit der Personalabteilung läuft, damit der künftige Ex-Chef davon nichts erfährt. So soll verhindert werden, dass Mitarbeiter, die sich intern bewerben, bei nicht erfolgreichem Wechsel beschädigt werden. Erst wenn die feste Zusage der neuen Abteilung vorliegt, wird auch der bisherige Vorgesetzte mit einbezogen und muss seinen Mitarbeiter dann auch ziehen lassen.

Für die Mitarbeiter bietet der interne Wechsel einen weiteren Vorteil: Sie können inhaltlich einen kompletten Kurswechsel machen, also z.B. als Property- oder Asset- Manager ins Controlling gehen. "Das schaffen sie durch einen externen Wechsel meist nicht", sagt Jaksch.

Führungs- und Immobilienkompetenz, Sprachfertigkeiten sowie persönliche und soziale Kompetenzen (Rhetorik, Präsentation, Feedbacktraining) werden an der unternehmenseigenen Patrizia Akademie gelehrt. Dort findet auch die Ausbildung für die Führungskräfte statt, denn zwei Drittel der vakanten Führungspositionen werden intern besetzt. Für alle 75 Führungskräfte gibt es jährlich ein Frühjahrstraining und auch eine Führungskräftetagung sowie ein einjähriges Programm für junge Führungskräfte.

Dort werden auch die Azubi-Ausbilder ausgebildet. Im vergangenen Jahr wurde die Zahl der Auszubildenden auf 6% der Mitarbeiter insgesamt verdoppelt. 7% ist die Zielmarke, die Jaksch erreichen will. "Wir glauben, dass wir die auch problemlos im Unternehmen unterbekommen können."

Für die Besetzung der akademischen Berufe sucht Patrizia aktiv den Kontakt zu Hochschulen und präsentiert sich auf Hochschulmessen und dem IZ-Karriereforum für die Immobilienwirtschaft. "Da gehen wir dann auch kontinuierlich hin", betont Jaksch. "Wir glauben, dass die Arbeitgeberattraktivität auch über Kontinuität erreicht wird, wenn die Studenten immer wieder auf Patrizia-Mitarbeiter treffen." Neben den Personalverantwortlichen sind auch immer Vertreter der Fachabteilungen mit dabei. Die Präsenz hat sich ausgezahlt. War Patrizia Immobilien beim ersten Top-Arbeitgeberranking der Immobilien Zeitung nicht vertreten, sind sie seit 2011 mit dabei (Rang 15) und erreichten in diesem Jahr Rang 12. Doch das ist für Jaksch nur eine Zwischenetappe: "Unser Ziel ist es, dass jeder Student in der Bewerbungsphase uns auf dem Zettel hat."

Sonja Smalian

Onboarding auch für Profis

Karriere 23.08.2012
Die Wechselbereitschaft in der Immobilienwirtschaft ist hoch und viele haben innerhalb weniger Jahre mehrere Arbeitgeber. Gerade bei teuer eingekauften Führungskräften ist es wichtig, dass sie ... 

Die Wechselbereitschaft in der Immobilienwirtschaft ist hoch und viele haben innerhalb weniger Jahre mehrere Arbeitgeber. Gerade bei teuer eingekauften Führungskräften ist es wichtig, dass sie im Unternehmen ankommen. Denn auch gestandene Führungskräfte haben beim Eintritt in eine neue Firma mitunter Startschwierigkeiten. Der Prozess des Onboardings, das Einstellen und Integrieren von neuen Mitarbeitern, sollte deswegen aktiv begleitet werden.

Bevor ein Pilot auf einem neuen Flugzeugtyp eingesetzt wird, muss er erst wieder ein paar Flugstunden im Simulator üben. Auch wenn er viel Erfahrung mitbringt und die Bedienungsknöpfe ähnlich sind, wird er zunächst im geschützten Raum ein paar Starts und Landungen trainieren. Es gibt wohl keinen Fluggast, der dafür nicht Verständnis aufbrächte. Doch was der Sicherheit von Mensch und Maschine in der Luft dient, wird am Boden vernachlässigt. Von den Managern in der Business-Welt wird ein "allzeit startklar" als Betriebsmodus vorausgesetzt. Dabei erleben auch Manager nach einem Wechsel in ein neues Unternehmen nicht selten eine Bruchlandung.

Die Gefahr zu scheitern steigt, je mehr sich die alte Stelle von der neuen Position unterscheidet. Dazu zählen z.B. Wechsel der Hierarchieebene, des Landes, der Industrie und der Unternehmenskultur. Gibt es Unterschiede bei drei Faktoren, beträgt die Gefahr, binnen der ersten 24 Monate zu scheitern, 50%. bei mehr als fünf Faktoren sind es sogar schon 80%, wie eine Studie von Heidrick & Struggles zeigt. Dabei muss ein Scheitern gar nichts mit der Qualifikation der Führungskräfte zu tun haben, wie Dr. Wolfgang Walter, Partner bei Heidrick & Struggles, Düsseldorf, betont. Ursache seien vielmehr häufig Missverständnisse über Anforderungen, Ziele und Erwartungen. Auch Defizite in der Kommunikations- und der Informationspolitik können zum frühen Fall führen.

Abhilfe kann ein gelenkter Onboarding- Prozess bringen, der den Neuzugang unterstützt, im Unternehmen anzukommen. 90% der 21 von Heidrick & Struggles befragten HR-Manager halten einen solchen Prozess für sinnvoll. Doch im Programm haben es nur 40% der Unternehmen. Auch von den Führungskräften glauben 90%, dass sie ein Onboarding brauchen könnten. Die Onboarding-Begleitung unterscheidet sich stark in den Unternehmen. Sie reicht von internen Programmen der Personalabteilung bis zu externen Coachings und kann von zwei Wochen bis zu sechs Monaten dauern.

An zwei Dingen scheiterten die Führungskräfte häufig, wie Studien zeigen: mangelnde Systemkompetenz und Schwierigkeiten beim Einschwören auf gemeinsame Ziele. Oft wüssten die Führungskräfte nicht, welche Knöpfe sie in der neuen Organisation drücken müssten. Findet in dem Unternehmen viel Austausch über E-Mail-Verkehr statt oder erwarten die Mitarbeiter, dass Wichtiges in Besprechungen geklärt wird? Wie schnell werden Chef-Handlungen erwartet? "Schneidigkeit kann eine neue Führungskraft nach oben spülen oder rauskegeln", sagt Walter, der rund 120 Onboardingprozesse als externer Coach begleitet hat. Walter hat auch schon den Fall erlebt, bei dem sich ein Manager aus der Immobilienwirtschaft beim Wechsel aus Asien nach Deutschland ein Onboarding-Coaching vertraglich zusichern ließ - und seinen eigenen Coach gleich mitbrachte.

Sonja Smalian

Dem Bau fehlt der qualifizierte Nachwuchs

Trotz gefüllter Auftragsbücher bricht jeder fünfte Bau-Azubi seine
Ausbildung vorzeitig ab. Auch bei den Studenten des Bauingenieurwesen gibt
es viele Abbrecher. Die Branche spürt den Fachkräftemangel bereits.

Trotz gefüllter Auftragsbücher bricht jeder fünfte Bau-Azubi seine Ausbildung vorzeitig ab. Auch bei den Studenten des Bauingenieurwesen gibt es viele Abbrecher. Die Branche spürt den Fachkräftemangel bereits.

Bild: BilderBox.com

Karriere 16.08.2012
Der demografische Wandel hat längst auch die Bauwirtschaft erreicht. Seit Jahren scheiden altersbedingt mehr Fachkräfte aus, als junge nachkommen. Zudem gibt es hohe Abbrecherquoten bei ... 

Der demografische Wandel hat längst auch die Bauwirtschaft erreicht. Seit Jahren scheiden altersbedingt mehr Fachkräfte aus, als junge nachkommen. Zudem gibt es hohe Abbrecherquoten bei Auszubildenden in den Bauberufen und Studenten des Bauingenieurswesens. Dabei ist die Lage am Bau-Arbeitsmarkt durchaus wieder im Aufwind, wie der zweite Branchenbericht zeigt.

2012 sei ein sehr positives Jahr für die Bauwirtschaft, sagte Michael Knipper, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie. In den ersten fünf Monaten beliefen sich die Auftragsbestände auf 22,1 Mrd. Euro. Das sei das höchste Auftragsvolumen seit mehr als 20 Jahren, so Knipper bei der Vorstellung des zweiten Branchenberichts zum Bau-Arbeitsmarkt, den die Bundesagentur für Arbeit und das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung gemeinsam mit dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie herausgeben haben. "Die Branche steht wirklich gut da", betonte Knipper. Und das sei kein Strohfeuer. Er rechnet mit einem realen Wachstum von 1% bis 2% jährlich in den kommenden zehn Jahren, sofern die Euro-Krise nicht eskaliert.

Hohe Ausbildungsleistung

Die Konjunkturdaten geben Grund zur Hoffnung. Das war in den vergangenen zehn Jahren nicht immer so. Von 2001 bis 2006 hat die Bauwirtschaft ihre Beschäftigtenzahl von 2 Mio. auf 1,5 Mio. reduziert. Inzwischen hat sich die Zahl auf dem niedrigen Niveau stabilisiert. Ende Juni 2011 zählte das Baugewerbe zusammen mit dem Bauhauptgewerbe 1.637.000 Beschäftigte sowie zusätzlich 436.000 Beschäftigte in Architektur- und Ingenieurbüros. Der Bedarf an Fachkräften sei hoch, sagte Knipper. "Seit Jahren jedoch übersteigen die altersbedingten Abgänge die Zugänge an Nachwuchskräften deutlich. Hier bekommt unsere Branche die Auswirkungen des demografischen Wandels zu spüren."

Dabei liegt die Ausbildungsleistung der Bauunternehmen mit 41% deutlich über dem gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt von 32%. Doch die Bauwirtschaft hat Schwierigkeiten, ihre Ausbildungsplätze zu besetzen. Allein im vergangenen Jahr konnte jede dritte Bauunternehmung die angebotenen Plätze nicht vergeben. Während im Berichtsjahr 2010/11 etwa 1.400 der gemeldeten Ausbildungsstellen für Bauberufe unbesetzt blieben, waren es im Vorjahr noch weniger als 1.000 gewesen. Mit einer Quote der unbesetzten Lehrstellen von 4,9% liegt die Baubranche immer noch unterhalb der Quote aller Ausbildungsberufe von 5,7%.

Zu kämpfen hat die Branche auch mit hohen Abbrecherquoten von rund 20% bei den Auszubildenden. So lösen im Schnitt 26% der Azubis in den Hochbauberufen vorzeitig ihren Ausbildungsvertrag. Bei den Auszubildenden im Tiefbau ist die Zahl mit 19% am niedrigsten und am häufigsten werfen die angehenden Maler und Lackierer während der Ausbildungszeit vorzeitig das Handtuch (35%).

Die Ursachen hierfür reichen von der falschen Berufswahl über Schwierigkeiten mit den theoretischen Anforderungen bis hin zu persönlichen Problemen mit dem Chef. Die Abbrecherquoten zu reduzieren, sieht Knipper denn auch als wichtige Aufgabe an. Gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit, den Sozialpartnern und den Unternehmen will er Strategien entwickeln, um mehr Nachwuchs zu gewinnen und zu halten, betonte Knipper.

Viele Studienabbrecher

Auch am akademischen Nachwuchs mangelt es. Zwar ist die Zahl der Studienanfänger im Fach Bauingenieurwesen seit 2007 stark gestiegen auf 14.500 im Jahr 2010, doch die Zahl der Absolventen liegt deutlich darunter. Sie betrug 2010 bei den Bauingenieuren 5.400. Pro Jahr habe die Branche jedoch einen Personalbedarf von mindestens 4.500 Nachwuchskräften, sagte Knipper. In den letzten Jahren hätten sich aber nur 3.500 der jungen Bauingenieure für einen Job in der Baubranche entschieden.

Sorgen bereiten Knipper auch die hohen Abbrecherquoten: So verlässt jeder zweite Bachelor-Student im Fach Bauingenieurwesen vorzeitig die Universität. An den Fachhochschulen ist es immerhin noch jeder dritte (36%). Niedriger sind die Abbruchquoten bei Universitätsstudenten in einem Diplom- oder Magisterstudium (20%). An Fachhochschulen führen 30% der Diplom-Studenten das Studium nicht zu Ende. Knipper hat dafür eine Erklärung. Viele scheiterten im Grundstudium an der hohen Mathematik des konstruktiven Ingenieurbaus. Er plädiert deswegen dafür, diese Aspekte eher ins Hauptstudium zur verlagern. "Uns ist es wichtig, dass Bauingenieure nicht zu früh spezialisiert werden", sagt Knipper. In Anbetracht der hohen Abbrecherquoten gibt er zu bedenken: "Da muss man sich schon fragen, was wir da vergeuden."

Sonja Smalian

Beruf bleibt ohne Zugangshürden

Karriere 09.08.2012
Die Bundesregierung sieht mit Blick auf energetisch sanierende Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) keine Notwendigkeit, für Wohnungsverwalter Berufszugangsvoraussetzungen einzuführen oder ... 

Die Bundesregierung sieht mit Blick auf energetisch sanierende Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) keine Notwendigkeit, für Wohnungsverwalter Berufszugangsvoraussetzungen einzuführen oder von ihnen eine Zertifizierung zu fordern. Das geht aus einer Antwort der Regierung auf eine Kleine Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion hervor.

Der SPD-Fraktion zufolge spielen Verwalter eine "entscheidende Rolle" bei der Umsetzung von energetischen Sanierungen, weil sie "die entsprechenden Beschlüsse in der Eigentümerversammlung herbeiführen, informieren, beraten und begleiten" können. Zugleich seien damit die Anforderungen in Bereichen wie Finanzierung, Sanierung, Verkehrssicherung sowie Recht/Verordnungen gestiegen, heißt es.

Grundrecht auf Berufsfreiheit

Auch die Tatsache, dass Verwalter nach §5 des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) zu ihrem Tätigkeitsfeld gehörende Rechtsdienstleistungen für Dritte erbringen können, bereitet der Fraktion offensichtlich Unbehagen. Sie verweist daher auf Österreich, Frankreich und Großbritannien, wo es "umfangreiche Zugangsvoraussetzungen und Prüfkriterien zur Zulassung von Immobilienverwaltern" gebe. Die Bundesregierung lehnt dies mit der Begründung ab, dass bislang keine "gravierenden Missstände" bekannt seien. Außerdem würden für einen Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hohe Hürden bestehen.

Christine Rose

Mehr Rechte für Geschäftsführer

Geschäftsführer sind nicht nur für das Unternehmen zeichnungsberechtigt, sondern sind auch für ihre eigene Absicherung verantwortlich. Die neuere Rechtsprechung gesteht ihnen jedoch auch einige Arbeitnehmerrechte zu.

Geschäftsführer sind nicht nur für das Unternehmen zeichnungsberechtigt, sondern sind auch für ihre eigene Absicherung verantwortlich. Die neuere Rechtsprechung gesteht ihnen jedoch auch einige Arbeitnehmerrechte zu.

Bild: iStockphoto.com/kaisersosa67

Karriere 09.08.2012
Wer den Aufstieg vom Angestellten zum Geschäftsführer geschafft hat, der ist oben angekommen. Der vergrößerte Gestaltungsspielraum spiegelt sich nicht nur in der Verantwortung für das ... 

Wer den Aufstieg vom Angestellten zum Geschäftsführer geschafft hat, der ist oben angekommen. Der vergrößerte Gestaltungsspielraum spiegelt sich nicht nur in der Verantwortung für das Unternehmen, sondern auch in der eigenen Absicherung wider. Denn der Schutz, der bislang durch Arbeitsgesetze gesichert war, fällt weg. Nun gilt es eigenständig zu verhandeln. Doch erste Gerichtsurteile gestehen auch angestellten Geschäftsführern wieder einige Arbeitnehmerrechte zu, erläutert Sonja Riedemann, Fachanwältin für Arbeitsrecht bei Osborne Clarke.

Immobilien Zeitung: Frau Riedemann, für Geschäftsführer gilt wie für Vorstände von Aktiengesellschaften und Leitungen anderer Unternehmensformen kein Kündigungsschutz. Worauf sollten Geschäftsführer bei der eigenen Absicherung achten, bevor sie ihr Arbeitsverhältnis verhandeln?

Sonja Riedemann: Wer ein unbefristetes Arbeitsverhältnis eingeht, sollte auf längere Kündigungsfristen als die üblichen drei Monate bestehen. Dafür bieten sich mehrere Varianten an. Denkbar sind Verträge mit Kündigungsfristen von zwölf Monaten - und dies nur zum Jahresende. Es kann auch verabredet werden, dass der Vertrag in den ersten zwei Jahren gar nicht kündbar ist, oder beides zusammen.

IZ: Was raten Sie Neu-Geschäftsführern mit befristeten Verträgen?

Riedemann: Ein befristeter Vertrag beispielsweise über drei Jahre kann vor Ablauf dieser Zeit nicht gekündigt werden. Das gilt für beide Seiten. Kommt es zum Zerwürfnis, muss das Unternehmen die noch ausstehenden Gehälter bis zum Vertragsende weiterhin zahlen.

Keine Arbeitnehmerrechte

IZ: Es sei denn, es kommt zur fristlosen Kündigung.

Riedemann: Ja, genau. Doch für eine fristlose Kündigung muss ein sehr schwerwiegendes Fehlverhalten nachgewiesen werden, was oftmals nicht vorliegt oder nur schwer nachweisbar ist.

IZ: Worin unterscheidet sich arbeitsrechtlich die Position des Prokuristen von der des Geschäftsführers?

Riedemann: Während der Prokurist noch Arbeitnehmer ist, hat der Geschäftsführer keine Arbeitnehmerrechte mehr: Geschäftsführer erhalten daher auch keinen Arbeitsvertrag, sondern juristisch einen Dienstvertrag, egal ob dieser "Anstellungsvertrag" oder anders genannt wird. Dennoch zeigt die aktuelle Rechtsprechung, dass Arbeitnehmerschutzrechte auch Geschäftsführern mitunter zugebilligt werden.

IZ: Inwiefern?

Riedemann: Der Europäische Gerichtshof hat vor kurzem einer Geschäftsführerin in Lettland, die aufgrund ihrer Schwangerschaft ihre Position verloren hatte, Mutterschutzrechte zugesprochen. In Deutschland verklagte ein Geschäftsführer seinen Arbeitgeber aufgrund von Altersdiskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Bis vor kurzem hätte keiner gedacht, dass das AGG auch auf Geschäftsführer anwendbar ist. Doch der Mann bekam vom Bundesgerichtshof Recht - und den Ersatz des Verdienstausfalls zugesprochen. Das sind neue Entwicklungen, die sicherlich keine Einzelfälle bleiben werden. Hier müssen Unternehmen also künftig aufpassen und ihre Verträge entsprechend gestalten.

Klauseln mitunter ungültig

IZ: Und für die Geschäftsführer lohnt es sich genau hinzuschauen!

Riedemann: Ja, zumal es eine weitere Entwicklung gibt. Die Verständlichkeit von Arbeits- oder Geschäftsführerverträgen muss inzwischen den gleichen Anforderungen genügen, die dem Verbraucher zum Beispiel die Verständlichkeit des Kleingedruckten, also der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, garantieren soll.

IZ: Was bedeutet das in der Praxis?
"Ein Geschäftsführer kann mit dem Diskriminierungsargument sogar gegen seine Entlassung klagen und bekommt Schadenersatz."

Riedemann: Ist ein Vertrag leicht missverständlich formuliert oder enthält er viele Knebelklauseln wie zum Beispiel "Alle Überstunden sind mit dem Gehalt abgegolten", können die entsprechenden Passagen ungültig sein. Das gilt auch für Verträge von Geschäftsführern, die nicht gleichzeitig Gesellschafter des Unternehmens sind, also so genannte Fremd-Geschäftsführer. Das ist ein weiterer Bereich, in dem die Rechtsprechung immer arbeitnehmerähnlicher wird.

Immer häufiger Mischformen

IZ: Immer häufiger gründen Unternehmen für einzelne Geschäftsfelder eigenständige GmbHs, für die Geschäftsführer eingestellt werden müssen. In der Praxis werden dafür nicht selten Angestellte auf der Ebene der Bereichs- oder Abteilungsleitung oder Fachkräfte der Muttergesellschaft gewählt, die dann in Personalunion für eine einzelne Tochtergesellschaft, beispielsweise für einen Fonds, als Geschäftsführer agieren. Was gilt für diese Personen. Sind sie Angestellte oder Geschäftsführer?

Riedemann: Das kommt auf den Einzelfall an. Es kann Teil des Arbeitnehmervertrags ein, dass eine Geschäftsführerposition bei einer Tochtergesellschaft vorgesehen ist. Agiert der Angestellte als Geschäftsführer jedoch nicht frei, sondern ebenfalls weisungsbefugt, dann ist die Tätigkeit als Angestelltenverhältnis einzustufen - und entbindet die Person im Zweifelsfall von Haftungsrisiken. So selten diese "extremen Ausnahmefälle" laut Rechtsprechung zurzeit sind, so sehr vermute ich, dass diese neue Unklarheit für Arbeitnehmer-Geschäftsführer sich künftig weiter ausbreiten wird.

IZ: Frau Riedemann, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Sonja Smalian.

Sonja Smalian