Karriere-News

Architektonischer Eigensinn hat Tradition bei Patzschkes

Trotz unterschiedlicher Frisur unschwer als eineiige Zwillinge zu erkennen: Jürgen (links) und Rüdiger Patzschke, hier mit Rüdigers Sohn Robert (rechts) und Jürgens Sohn Till-Jonathan.

Trotz unterschiedlicher Frisur unschwer als eineiige Zwillinge zu erkennen: Jürgen (links) und Rüdiger Patzschke, hier mit Rüdigers Sohn Robert (rechts) und Jürgens Sohn Till-Jonathan.

Quelle: Patzschke Architekten; Urheber: Waldemar Salesski

Karriere 04.10.2019
Als die Zwillingsbrüder Rüdiger und Jürgen Patzschke vor 50 Jahren ihr Büro gründeten, hatten sie sich einer Architektur jenseits des damaligen Mainstreams verschrieben. Statt glatter ... 

Als die Zwillingsbrüder Rüdiger und Jürgen Patzschke vor 50 Jahren ihr Büro gründeten, hatten sie sich einer Architektur jenseits des damaligen Mainstreams verschrieben. Statt glatter Rasterfassaden schufen sie Häuser im klassischen Stil. Damit ernteten sie bei Architekturkritikern reichlich Häme. Das galt vor allem für ihr bis heute bekanntestes Bauwerk, das Hotel Adlon Kempinski in Berlin. Die Zwillinge blieben ihrem Stil treu und ihr Büro, das inzwischen mehrere ihrer Kinder fortführen, läuft heute besser denn je. Die Immobilien Zeitung sprach mit den 80-jährigen Brüdern und Rüdiger Patzschkes Sohn Robert über ihre Karriere, architektonischen Eigensinn und das Glück, damit nicht allein zu sein.

Immobilien Zeitung: Das Hotel Adlon ist Ihr bekanntestes und zugleich umstrittenstes Bauwerk. Wie kamen Sie zu dem Auftrag?

Rüdiger Patzschke: Otto Walterspiel von Kempinski suchte damals nach Architekten für den Neubau des Adlons. Er wollte keine Replik, aber ein Gebäude, das in der Anmutung an das alte Adlon erinnert. Bevor er auf uns zukam, hatte er sich schon die Ideen mehrerer namhafter Büros angesehen und durch die Bank Entwürfe mit Lochfassaden und wenig repräsentativen Eingängen erhalten. Wir lieferten ihm drei Entwürfe, von denen einer genauso gebaut worden ist, wie wir ihn gezeichnet haben.

IZ: Sie haben mit der Hand gezeichnet?

Jürgen Patzschke: Ja, das machen wir in der Entwurfsphase bis heute so. Eine Fassade bekommt einen ganz anderen Charakter, wenn man mit der Hand zeichnet und nicht einfach ein Raster in einen Computer eingibt.

IZ: Für das im traditionellen Stil gebaute Adlon sind Sie von Architekturkritikern sehr angefeindet worden. Wie hat sich das ausgewirkt?

Jürgen Patzschke: Wir haben viel Honorar für das Adlon bekommen, aber danach gab es erst einmal fünf Jahre lang keine Aufträge.

IZ: Und wie haben Sie weitergemacht?

Rüdiger Patzschke: Unbeirrt. Wir waren Überzeugungstäter. Wir wollten nicht teilhaben an einer Architektur, die eine Stadt unpersönlich und unbewohnbar macht.

IZ: Woher kam diese Überzeugung?

Jürgen Patzschke: Als wir als junge Menschen mitbekommen haben, dass der Stuck von den Fassaden der Gründerzeithäuser abgeschlagen worden ist, waren wir entsetzt. Wir empfanden es als eine Art architektonische Bücherverbrennung. Da sind Kulturen abgeschlagen worden!

Rüdiger Patzschke: Im Studium war das Bauhaus das Maß aller Dinge, so als hätte es zuvor keine Architektur gegeben. Und in der Stadtplanung herrschte das Denken vor, dass man Arbeiten und Wohnen trennen müsse. Wir fanden es dagegen wunderschön, in einem Wohnviertel in Zehlendorf zu arbeiten, wo wir bis heute unser Büro haben. Dass man die historische europäische Stadt als positiv empfinden konnte, diese Gedankengänge gab es damals nicht. Heute fahren alle Leute gerne in alte Städte und die Menschen leben am liebsten in intakten historischen Stadtvierteln.

IZ: Wie haben Sie es geschafft, sich gegen die damals vorherrschende Architekturauffassung durchzusetzen?

Rüdiger Patzschke: Hermann Hesse hat einen wunderbaren Aufsatz über Eigensinn verfasst, in dem es darum geht, sich von den Erwartungen des Umfelds freizumachen und seinen eigenen Sinn zu entdecken und dazu zu stehen. Für uns war es leichter, unseren Eigensinn zu verteidigen, weil wir zu zweit waren und sind. Der doppelte Eigensinn hat uns sehr geholfen.

Jürgen Patzschke: Wer allein ist und eine Architektur durchsetzen will, die vom Mainstream abweicht, der hat schlechtere Karten als zwei, die sich den Rücken stärken. Allein hätten wir nicht gegen den ganzen Architekturkult der Moderne bestehen können.

Robert Patzschke: In der modernen Architektur wird immer alles intellektualisiert. Stadträume und Lebensräume zu erhalten und zu schaffen, das ist das, was uns wichtig ist. Wir haben in Berlin-Mitte um die 30 Gebäude errichtet, an denen die meisten Leute vorbeilaufen, ohne sie bewusst wahrzunehmen, weil sie sich nicht in den Vordergrund drängen. Aber sie fühlen sich wohl, weil wir bei unserer Architektur auf Elemente zugreifen, die sich bewährt haben und daraus eine eigene Schöpfung kreieren.

IZ: Stört es Sie nicht, wenn Architekturkritiker lästern?

Robert Patzschke: Nein. Es ist viel wichtiger, wie die Architektur auf die Menschen wirkt. Jeder Mensch hat ein Gefühl, eine Assoziation oder ein Erlebnis, wenn er irgendwo entlangläuft. Und deshalb ist jeder Mensch ein berechtigter Architekturkritiker.

Jürgen Patzschke: Neotraditionalisten wie wir reflektieren am besten, was die Menschen wollen. Sie wollen einen Wiedererkennungseffekt und ein Wohlgefühl. Wir haben von Anfang an so gebaut, wie wir es für richtig hielten, und haben uns nicht dem Zeitgeist unterworfen. Bei Umfragen lagen wir immer weit vorn, auch wenn Architekturkritiker anderer Meinung waren.

Rüdiger Patzschke: Inzwischen gibt es Untersuchungen über die Wirkung monotoner, großflächiger Fassaden auf die Psyche (siehe "Diese Architektur tut nicht gut", IZ 33/2018, Seite 1).

Das Institut für Wohn- und Arbeitspsychologie hat beispielsweise empirisch bewiesen, dass solche Fassaden die Menschen stressen, während kleinteilig strukturierte, abwechslungsreich gestaltete Fassaden sich positiv auf das Wohlbefinden auswirken. Das ist natürlich eine tolle Bestätigung für uns. Mittlerweile gibt es auch immer mehr Architekten, die sich rückbesinnen. Manche von ihnen bauen traditioneller als wir. Und inzwischen haben wir Entwickler wie Bauwert oder Diamona & Harnisch gefunden, die unsere Auffassung von Architektur teilen.

IZ: Wie sind Sie beiden eigentlich zu ihrem Beruf gekommen? Wollten Sie schon immer Architekten werden?

Jürgen Patzschke: Nein, als Kinder wollten wir Förster werden (lacht). Während des Zweiten Weltkriegs war unsere Mutter mit uns und unserem älteren Bruder in der Uckermark evakuiert, weil es in Berlin zu gefährlich war. Wir sind in Joachimstal eingeschult worden und haben dort, so schlimm das klingt, die sonnigste Zeit unserer Kindheit verbracht. Da war Wasser und Wald, wir suchten Maikäfer und fuhren mit dem Leiterwagen zur Schule.

Rüdiger Patzschke: Bei einem unserer Streifzüge landeten wir vor einem Anwesen, das uns sehr beeindruckte. Dort trafen wir auf den Förster, der uns das Haus zeigte und so tat, als ob es seines wäre. Wir dachten, Förster muss ein toller Beruf sein: Man kann immer im Wald sein und in einem so schönen Haus wohnen. Später erfuhren wir, dass es sich bei dem Haus um Carinhall, den Landsitz von Reichsmarschall Hermann Göring gehandelt hatte. Den Förster redete uns unsere Mutter übrigens genauso aus wie den Wunsch, Landschaftsgärtner zu werden: "Wenn die Zeiten schlecht sind, werden in Parks Radieschen und Kohlrabi gepflanzt", sagte sie.

IZ: Haben Sie schlechte Zeiten erlebt?

Jürgen Patzschke: Ja, wir haben sehr schlechte Zeiten erlebt. Als die Ostfront näherrückte, machte sich unsere Mutter mit uns auf den Weg nach Berlin. Dort erst begriffen wir das Elend des Krieges. Das Haus, in dem wir gewohnt hatten, war zerstört, unser Vater tot und unsere Mutter wusste nicht, wie sie uns satt bekommen sollte. Wir bettelten damals in der Nachbarschaft um Kartoffelschalen, aus denen unsere Mutter eine Art Puffer machte, damit wir was zu essen hatten.

IZ: Wie kamen Sie dann zur Architektur?

Rüdiger Patzschke: Das lag ziemlich nah, schon unser Vater und unser Großvater waren Architekten.

IZ: Was war das erste größere Projekt, das Sie gemeinsam gebaut haben?

Jürgen Patzschke: Das war ein Einkaufzentrum mit Restaurants, Boutiquen und einem Theater in Bahia Feliz auf Gran Canaria. 1969, das Jahr, in dem wir unser gemeinsames Büro angemeldet haben, begannen die Planungen. Statt mit Spiegelglasscheiben wie sie damals Mode waren, haben wir das Ganze im Stil eines Bazars mit Rundbögen, weiß getünchten Mauern, Kolonnaden und einem zentralen Platz gebaut. Diese Anlage ist gut angekommen und blüht bis heute. Das war für uns sehr selbstbewusstseinsfördernd!

IZ: Sie haben auch in vielen anderen Ländern gebaut, vor allem in Indien. Wie kam es zu diesen Projekten?

Jürgen Patzschke: Das war eigentlich ein Zufall. Mitte der 60er hatte ich vor, von Istanbul aus nach Abu Simbel zu reisen, um beim Wiederaufbau der Tempel mitzuarbeiten, die für den Bau des Assuan-Staudamms abgetragen worden waren. Doch ich kam zu spät in Istanbul an. Zurück nach Hause fahren wollte ich aber auch nicht, nachdem ich groß getönt hatte, ich mache beim Abu Simbel mit, also reiste ich weiter Richtung Indien.

IZ: Sie sind dort länger geblieben?

Jürgen Patzschke: Nein, aber wir haben zusammen mit unseren Familien viel Zeit dort verbracht und waren fast jedes Weihnachten in unserem ehemaligen Plantagenhaus im heutigen Goa. Einige unserer engsten Freunde sind Inder, das sind wunderbare Menschen.

Robert Patzschke: Ich war mit 17 für ein Jahr auf einem Internat in Indien und dort der einzige Nicht-Inder. Auch ich liebe das Land und die Menschen. Frisch vermählt und gleich nach dem Studium bin ich dann 2005 zusammen mit meiner Frau nach Indien aufgebrochen, um eine Dependance unseres Büros aufzubauen. Wir haben fast zehn Jahre in Indien gelebt.

IZ: Sie haben mittlerweile gemeinsam mit den Söhnen Robert und Till-Jonathan und ihren Partnern Michael Mohn und Christoph Schwebel nicht nur zwei Ateliers mit zusammen etwa 60 Mitarbeitern in Berlin und eine Dependance in Indien, sondern auch in Paris. Wie kam es dazu?

Jürgen Patzschke: Meine Tochter Tatjana lebt in Paris und betreibt dort ein kleines Büro. Auch mein Sohn Till-Jonathan ist Architekt und arbeitet in dem Berliner Atelier in der Pfalzburger Straße. Und mein Jüngster Thaddäus tritt ebenfalls in unsere Fußstapfen. Neben seinem Masterstudium arbeitet er in unserem Atelier am Bahnhof Grunewald.

IZ: Das klingt so, als könnte es das Büro von Patzschke & Partner Architekten auch in den nächsten 50 Jahren noch geben! Meine Herren, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führt Martina Vetter.

Martina Vetter

Leben oder Bonus? Ganz klar: Leben!

Bei Hemsö in Berlin nimmt man es mit der Kleiderordnung eher locker.

Bei Hemsö in Berlin nimmt man es mit der Kleiderordnung eher locker.

Quelle: Hemsö, Urheber: Jens Nagel

Karriere 04.10.2019
"In anderen Unternehmen könnte ich mehr verdienen", sagt Jens Nagel. Bonus ist für den Deutschlandchef des schwedischen Asset-Managers Hemsö ein Fremdwort. In den Ohren von Jim Hartley, ... 

"In anderen Unternehmen könnte ich mehr verdienen", sagt Jens Nagel. Bonus ist für den Deutschlandchef des schwedischen Asset-Managers Hemsö ein Fremdwort. In den Ohren von Jim Hartley, dem Nordeuropaleiter des britischen Logistikentwicklers Segro, klingt das Wort Bonussystem dagegen vertraut. Nur für die Arbeit lebe er trotzdem nicht, versichert Hartley, ganz im Gegenteil: "Ich bin das beste Beispiel für Work-Life-Balance."

Bevor Jens Nagel heimkehrte, sicherte er sich noch schnell die schwedische Staatsbürgerschaft. Nicht weniger als 15 Jahre hat der Head of German Business des skandinavischen Sozialimmobilieninvestors Hemsö in Schweden gelebt. Vor acht Jahren verließ der gebürtige Westberliner seine Wahlheimat wieder - um für Hemsö ein deutsches Standbein in Berlin aufzubauen. "Für mich war klar, dass ich nie zu einem deutschen Unternehmen gehe, wenn ich zurückkomme", sagt Nagel trocken.

In Deutschland überlagere der Job vieles, "der Mensch definiert sich über seinen Beruf". In Schweden ernte jemand, der damit angebe, er habe "letzte Woche 80 Stunden gearbeitet", statt anerkennender Blicke nur die spöttische Frage: "Biste ein No-Lifer, oder was?" Überstunden von Mitarbeitern würden auf Dauer dem Chef angelastet. Seine fünf Kollegen im Berliner Büro und auch er selbst kämen mit den vertraglich vereinbarten 40 Stunden jedenfalls super zurecht. Er selbst spare sich "den ganzen Corporate-Bullshit" und arbeite auch als Geschäftsführer zu 95% operativ. "Ist doch Imponiergehabe, wenn mir einer erzählt, er war bis halb neun im Büro. Der hat doch nicht so lang durchgeknüppelt."

Der Übergang zwischen Arbeit und Privatleben verlaufe in Schweden "oft fließend". Eine Anwesenheitspflicht im Büro gebe es meist nicht, Homeoffice sei "fast immer möglich". Fünf Wochen Urlaub im Sommer seien quasi Standard. Damit sich nicht zu viele unerledigte Aufgaben auftürmen, setze sich der Schwede in seinem langen Sommerurlaub einen Tag die Woche an den Schreibtisch.

Auch die Entscheidungskultur ist in Schweden ganz anders. "In Deutschland weiß es der Chef am besten, die Mitarbeiter werden in die Entscheidungsfindung meistens nicht eingebunden", sagt Nagel. In Schweden entscheidet - am Ende natürlich auch der Chef. Aber: "Wenn ich als Chef etwas verändern will, binde ich meine Leute von Anfang an in den Entscheidungsprozess mit ein. Erstens ist die Basis ja der Spezialist fürs operative Geschäft, und zweitens erspart es mir später Friktionen, wenn ich die Mitarbeiter initial einbinde - gerade wenn sie in der Entscheidungsphase nicht alles zu 100% mittragen."

Auch die Maßstäbe für persönlichen Erfolg, versichert Nagel, seien andere als in Deutschland. "Vorgesetzte sehen die Anzahl der ihnen untergeordneten Mitarbeiter oder den Umsatz, den sie verantworten, nicht als Kriterien für Erfolg im Job. Entscheidend ist, dass die selbst gesetzten Ziele erreicht werden." Und noch ein Differenzierungsmerkmal: Fette Extrabeute winkt Leitwölfen zumindest bei Hemsö nicht. "Boni sind für die Geschäftsleitung ausgeschlossen, nur Mitarbeiter können einen Bonus von bis zu einem Monatsgehalt erhalten", so Nagel. "In anderen Unternehmen könnte ich mehr verdienen", konstatiert der Deutschlandchef von Hemsö nüchtern.

Wenn sich Begeisterung für einen Arbeitgeber in Jahren der Unternehmenszugehörigkeit messen lässt, dann ist Nagel schon ganz gut dabei - wird aber von Jim Hartley um Längen geschlagen. Hartley ist Business Unit Director Northern Europe bei Segro. Das ist schon die achte Rolle, die er bei dem britischen Logistikimmobilienentwickler bekleidet. Das Unternehmen hatte ihn vor 18 Jahren frisch von der Uni weg verpflichtet. Einen anderen Arbeitgeber hat Hartley nie gesehen. Heute lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Paris und führt von dort aus die Segro-Länderteams in Deutschland - Düsseldorf, Hamburg und München - und den Niederlanden (Amsterdam) und ist auch für das Geschäft in Österreich zuständig.

Die meisten von Hartleys 42 Untergebenen sitzen in Düsseldorf, aber nicht alle an einem festen Schreibtisch: Etwa 60% bis 70% der Belegschaft seien ziemlich mobil unterwegs, weshalb nicht für jeden Mitarbeiter - mit Ausnahme von Querschnittsfunktionen, die die ganze Woche im Büro verbringen - ein eigener Arbeitsplatz vorgehalten werde. Segro verfolge daher eine "clear desk policy": Wer sein Tagewerk verrichtet hat, soll dem nächsten Kollegenden den Schreibtisch blank hinterlassen.

Ein 13. Monatsgehalt gibt es bei Segro nicht, aber dafür Boni. Zwischen 20% und 75% können sich Fach- und Führungskräfte dazuverdienen. Wenn die selbst gesteckten Ziele übertroffen werden, ist sogar mehr drin. "Das läuft sehr mechanisch ab", versichert Hartley. Statt Wohltaten nach Gutsherrenart zu verteilen, werde jeder Kollege nach transparenten und klaren Regeln bewertet.

Nicht ganz so klar festgelegt ist die Kleiderordnung bei Segro. "Wir überlassen das weitgehend unseren Kollegen", sagt Hartley - wobei: Zerrissene Jeans und Flip-Flops, merkt der Nordeuropachef an, sind bei den börsengelisteten Briten eher nicht opportun. Die Krawatte müsse zwar nicht jeden Tag ins Büro mit, aber Business Casual - z.B. Anzug mit Hemd ohne Krawatte - solle es schon sein. Bei Hemsö sieht man das weniger eng: Hier sind T-Shirt, Shorts und Sneaker willkommen. Hauptsache, das Ergebnis stimmt.

Dass er bis zur Rente bei Segro bleibt, will Hartley nicht ausschließen - nicht allein wegen des schnöden Mammons: "Ich bin das beste Beispiel für Work-Life-Balance", frohlockt er mit Blick auf sein beruflich-privates Flottieren zwischen Paris, London und den Segro-Büros in Deutschland und Holland. "Ich bin nicht etwa zu faul, um mich woanders zu bewerben."

Harald Thomeczek

"Was früher der Firmenwagen war, ist heute das Homeoffice"

Genau so sieht Homeoffice nicht aus, doch mit exakt diesem Motiv trommelte die SPD auf Twitter für ein Recht auf Heimarbeit.

Genau so sieht Homeoffice nicht aus, doch mit exakt diesem Motiv trommelte die SPD auf Twitter für ein Recht auf Heimarbeit.

Quelle: iStock.com, Urheber: Halfpoint

Karriere 04.10.2019
Sich nicht mehr jeden Tag ins Büro kämpfen zu müssen, sondern seine Arbeit auch in Ruhe zuhause zu erledigen, wenn der Job es zulässt: Das wünscht sich auch mancher Immobilienprofi. In ... 

Sich nicht mehr jeden Tag ins Büro kämpfen zu müssen, sondern seine Arbeit auch in Ruhe zuhause zu erledigen, wenn der Job es zulässt: Das wünscht sich auch mancher Immobilienprofi. In der Gunst einiger nimmt das Homeoffice heute den Platz ein, der früher dem Firmenwagen gebührte. Personalberater wie Kathrin von Hardenberg und Christoph Hartmann werben für ein größeres Entgegenkommen der Arbeitgeber. Viele Unternehmen hätten noch nicht verstanden, wie wichtig das Thema ist. Und werden kalt erwischt, wenn ein Kandidat deshalb absagt.

Marcus Müller (Name von der Redaktion geändert) kann es immer noch nicht fassen: Sein Wechsel ist geplatzt. Aus dem Nichts hatte er ein Jobangebot erhalten: gute Bezahlung - fast 40% mehr, als er zurzeit verdient -, eine echte Herausforderung und viel Freiraum bei der Gestaltung der ihm zugedachten Rolle. Doch den einen Tag Heimarbeit, den ihm sein jetziger Arbeitgeber zugestand, den wollte ihm die Firma, die bei ihm anklopfte, partout nicht gewähren. Man wolle keinen Präzendenzfall schaffen. Nichts zu machen.

"Ich habe konkrete Fälle in den letzten Jahren erlebt, wo Wechsel unter anderem am Thema Homeoffice gescheitert sind", bestätigt Christoph Hartmann, Geschäftsführer bei der Personal- und Unternehmensberatung Deininger. "Bewerber gucken sich mehr denn je die Kultur und Philosophie eines Hauses an, bevor sie eine finale Entscheidung treffen. Da gehört der Bereich Homeoffice klar dazu."

Das Erstaunen ist groß, wenn der eigentlich wechselwillige Favorit dann überraschend doch absagt: "Die Thematik haben wir auf allen Hierarchieebenen", konstatiert Hartmann, der Positionen in der Immobilienwirtschaft besetzt. "Den einstellenden Unternehmen ist in den entscheidenden Gesprächen nicht immer bewusst, dass Homeoffice heute eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt - oder es wird bewusst nicht berücksichtigt." Andere Branchen sind da schon weiter, etwa die IT- oder die Pharmabranche, wie Hartmann von seinen Kollegen weiß.

Die Nachfrage wächst, die Gründe sind vielfältig: Mitfünfziger wollen einfach mal in Ruhe arbeiten und/oder haben keine Lust, sich täglich mühsam durch den Großstadtverkehr zu kämpfen. Mütter und Väter möchten ihren Nachwuchs nicht komplett outsourcen. Wieder andere kümmern sich um Ältere. Selbst Jüngere ohne Nachwuchs oder pflegebedürftige Angehörige fragen heute mit größter Selbstverständlichkeit nach einer flexibleren Arbeitszeit- und -platzgestaltung.

Summa summarum setzen 30 bis 40% der Immobilienprofis das Homeoffice zumindest als ein Auswahlkriterium bei der Jobwahl ein, schätzt Kathrin von Hardenberg, Partnerin bei Indigo Headhunters. "Früher wurde der Firmenwagen über alles gestellt. Der interessiert heute kaum noch einen. An diese Stelle ist jetzt das Homeoffice getreten", sagt von Hardenberg.

Das Reich der Arbeitgeber zerfällt beim Homeoffice grob in zwei Lager. Neben der Unternehmenskultur spielt auch die technische Ausstattung eine nicht unwichtige Rolle. Da sind die einen, die sich dem Thema zumindest angenähert oder gar schon feste, verlässliche Leitplanken einzogen haben: "Größere Unternehmen - alles jenseits der 300, 400 Mitarbeiter - haben sich auf die wachsende Nachfrage oft schon eingestellt", sagt von Hardenberg. Über Zusatzvereinbarungen wird das den Mitarbeitern eingeräumte Recht auf Heimarbeit in Arbeitsverträgen fixiert.

Der Teufel steckt im Detail: Wie häufig darf ich das Homeoffice in Anspruch nehmen? Muss ich es ankündigen, wenn ich von dieser Option Gebrauch mache - und wem bin ich zu Rechenschaft verpflichtet? Ist der Datenschutz gewährleistet? "Falls Papiere offen herumliegen, muss der Raum abschließbar sein, damit niemand Zutritt erhält, der nicht zum Unternehmen gehört", erklärt von Hardenberg. Wird der heimische Rechner auch privat genutzt, muss sich der Mitarbeiter für den Unternehmensaccount separat einloggen.

Gerade in der Immobilienbranche fremdeln viele Firmen mit dem Homeoffice, finden die beiden Personalberater. Meist seien das, meint von Hardenberg, eher patriarchalisch geführte Häuser, wo die Chefs in dem Glauben sozialisiert wurden, dass Führen Kontrollieren bedeutet. "Letztlich hat Homeoffice etwas mit der Offenheit der Führungsspitze zu tun", resümiert sie. Doch die Arbeitgeber werden die Bedürfnisse zumindest einer Teils ihrer Belegschaft nicht auf Dauer ignorieren können, ist sich die Personalberaterin sicher: "Unternehmen möchten gute Leute haben - dann müssen sie sich auch auf Themen wie Homeoffice einlassen", fordert von Hardenberg. Wer das tut, wird belohnt, sagt sie: "Mitarbeiter und Kandidaten sehen immer das Gesamtpaket. Wenn ich das eine - Homeoffice und so mehr Lebensqualität - bekomme, schaue ich beim anderen - dem Gehalt - vielleicht nicht mehr ganz so genau hin."

Das Argument, nicht jeder Job tauge für Homeoffice, lassen die Personalberater nur bedingt gelten. Mitarbeiter in einem Kundenservicecenter mit festen Präsenzzeiten oder Bauarbeiter, Techniker und Facility-Manager, die nah an der Immobilie dran sind, können den Ort ihres Tuns nur schwer in die häuslichen Mauern verlegen. Doch schon Projekt- oder Bauleiter könnten problemlos einen Tag die Woche zuhause ihre Kalkulationen anstellen. Und z.B. für Investment-, Asset-, Portfolio- oder Transaktionsmanager ebenso wie für Investmentmakler und andere Vertriebler ist Homeoffice - mit einer mehr oder minder ausgeprägten Reisetätigkeit - machbar.

Begründungen bleiben Firmen, die Vorbehalte hegen, in aller Regel schuldig, wenn sie bei der Rekrutierung auf Homeoffice-Optionen angesprochen werden, sagt Deininger-Geschäftsführer Hartmann: "Wenn der Kandidat nachfragt, bekommt er eigentlich keine schlüssige Erklärung, meist nur Gemeinplätze wie: Im Büro arbeiten die Mitarbeiter produktiver. Keiner erklärt ihm aber, warum das so sein soll."

Harald Thomeczek

"Die Preise für Entwickler sinken"

Nimmt Übertreibungen bei den Gehältern wahr und will sie nicht mitmachen: Gerd Kropmanns.

Nimmt Übertreibungen bei den Gehältern wahr und will sie nicht mitmachen: Gerd Kropmanns.

Quelle: Die Wohnkompanie NRW

Karriere 26.09.2019
Gerd Kropmanns, geschäftsführender Gesellschafter der Wohnkompanie NRW, bekommt seit ein paar Monaten spürbar mehr Bewerbungen. Sein Eindruck: Viele Entwickler schauen sich in Zeiten wachsender ... 

Gerd Kropmanns, geschäftsführender Gesellschafter der Wohnkompanie NRW, bekommt seit ein paar Monaten spürbar mehr Bewerbungen. Sein Eindruck: Viele Entwickler schauen sich in Zeiten wachsender Unsicherheit rund um die Immobilienmärkte nach einem sicheren Arbeitsplatz um.

Immobilien Zeitung: Herr Kropmanns, würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage: Für Bauträger und Wohnprojektentwickler wie die Wohnkompanie NRW läuft es wie geschnitten Brot, die Produkte werden ihnen aus den Händen gerissen. Nur das knappe Personal treibt den Unternehmen Sorgenfalten auf die Stirn, die Leute können sich die Rosinen rauspicken.

Gerd Kropmanns: Die Leute können sich den Arbeitgeber eben nicht mehr aussuchen. Das war vielleicht bis vor einem halben Jahr so. Der Wind hat sich aber gedreht.

IZ: Wie das?

Kropmanns: Diese ganzen Diskussionen aus der Politik um Mietpreiskappung und Mietendeckel und Enteignung verschrecken viele Investoren. In Berlin brennen Autos von der Deutschen Wohnen. Das ist alles ein absoluter Jobkiller. Und der Handelskonflikt zwischen den USA und China verunsichert die Unternehmen und die Mitarbeiter auch.

IZ: Entwickler sind nicht mehr so gefragt wie vor ein paar Monaten?

Kropmanns: Wir als Wohnkompanie NRW bekommen seit ein paar Monaten viel mehr Bewerbungen als vorher, auch von richtig guten und erfahrenen Leuten.

IZ: Welchen Reim machen sie sich darauf?

Kropmanns: Ich habe den Eindruck, dass viele Entwickler sich jetzt nach einem sicheren Arbeitsplatz umschauen. Die Leute suchen Sicherheit, und wir verstehen uns als solider Mittelständler, bei dem man gutes Geld verdienen kann. Wir zahlen aber keine übertriebenen Preise und müssen darum auch keine überteuerten Leute entlassen, wenn der Zyklus runtergeht.

IZ: Der gute alte Schweinezyklus lebt noch?

Kropmanns: Der Zyklus ist definitiv nicht tot. Dass es irgendwann abwärts geht, ist nur eine Frage der Zeit.

IZ: Andere Bauträger und Wohnungsentwickler spielen mit dem Feuer?

Kropmanns: Andere Unternehmen haben gerade im Bereich der Geschäftsführung Leute zu Gehältern eingestellt, die teilweise um 50% überhöht sind. Die werden dann als Erstes wieder freigestellt, wenn es nicht mehr so gut läuft.

IZ: Wie haben sich denn die Marktgehälter in letzter Zeit entwickelt, wenn plötzlich viele Entwickler auf Jobsuche sind?

Kropmanns: Die Preise für Leute sind in den letzten Monaten gesunken.

IZ: Was kann man bei der Wohnkompanie NRW verdienen?

Kropmanns: Grundsätzlich kann bei uns jeder das verdienen, was er möchte - er muss nur entsprechend mehr Umsatz bringen und Geld fürs Unternehmen verdienen. Aber wir würden unsere Bestandsmitarbeiter vor den Kopf stoßen, wenn wir neue Leute zu übertriebenen Gehältern einstellen würden. Außerdem können wir nur Menschen gebrauchen, die auch in schlechten Zeiten zu uns passen.

IZ: Okay, und was kann man jetzt bei Ihnen verdienen?

Kropmanns: Wir bieten ein ordentliches Fixgehalt und eine ergebnisorientierte variable Gratifikation: Unsere Mitarbeiter können das Grundgehalt um bis zu 50% ausbauen, wenn sie Leistung bringen und das Ergebnis stimmt.

IZ: Haben Sie ein Beispiel in absoluten Zahlen?

Kropmanns: Jemand mit Ausbildung, Bachelor, Master, dem Immobilienökonomen und fünf Jahren Berufserfahrung kommt mit Ende 20 bei uns auf 70.000 Euro im Jahr. Das muss man dann aber schon alles mitbringen. Und so jemand trägt dann auch eine große Projektverantwortung, verhandelt mit Behörden usw.

IZ: Was ist denn für Berufseinsteiger bei der Wohnkompanie NRW drin?

Kropmanns: Ein Bachelor mit Ausbilung verdient bei uns zum Einstieg das Gleiche wie ein Master ohne: um die 43.000 Euro. Ein Master mit Ausbildung kann mit bis zu 48.000 Euro einsteigen. Einen Bachelor ohne Ausbildung nehmen wir erst gar nicht.

IZ: Wie nehmen Sie den Nachwuchs in puncto Gehaltswünsche wahr?

Kropmanns: Oft als gierig. Manche wollen schon nach drei Jahren im Job 80.000 Euro fix. Sie vergleichen sich mit irgendwem, von dem sie gehört haben, dass er so viel verdienen soll - sehen aber nicht, dass der andere einen Abschluss mehr vorweisen kann, vorher eine Ausbildung gemacht hat oder schon größere Verantwortung trägt.

IZ: Wenn die Preise für gestandene Leute, wie Sie sagen, zuletzt gesunken sind: Wie haben sich dann in jüngster Zeit die Preise für Nachwuchskräfte entwickelt?

Kropmanns: Die Gehaltsspirale hat sich kräftig gedreht. Inzwischen hat sich der Trend wieder beruhigt: Die Unternehmen stellen fest, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen.

IZ: Vielen Dank für das erhellende Gespräch, Herr Kropmanns!

Die Fragen stellte Harald Thomeczek.

Harald Thomeczek

Ivanhoé Cambridge investiert jetzt mit Christian Daumann

Karriere 19.09.2019
Ivanhoé Cambridge, ein institutioneller Investor aus Kanada, hat ein Büro in Berlin eröffnet und Christian Daumann als Head of Investments Germany eingestellt. Daumann soll "das deutsche ... 

Ivanhoé Cambridge, ein institutioneller Investor aus Kanada, hat ein Büro in Berlin eröffnet und Christian Daumann als Head of Investments Germany eingestellt. Daumann soll "das deutsche Immobilienportfolio weiter ausbauen", erklärt sein neuer Arbeitgeber. Wie groß das Deutschlandportfolio aktuell ist, war bis Redaktionsschluss beim Unternehmen nicht in Erfahrung zu bringen.

Vor ziemlich genau einem Jahr gründeten die Kanadier mit dem Asset-Manager Round Hill Capital ein Joint Venture für den Erwerb von Wohnungen in und um Berlin. Auch als langjähriger mfi-Partner sind sie hierzulande bekannt. So gehört Ivanhoé Cambridge heute noch der Löwenanteil an den Wilmersdorfer Arcaden in Berlin. Aktuell legt der Investor den Fokus "auf Manage-to-core- und Value-add-Strategien", insbesondere in den Assetklassen Büro, Logistik und Wohnen "in Deutschlands dynamischsten Städten". Vor der Eröffnung des Berliner Büros managten die Kanadier ihre Immobilien in Europa von ihren beiden Büros in Paris und London aus. Daumann hat zuletzt Spuren als Geschäftsführer für Investment- und Asset-Management bei Hamburg Trust hinterlassen.

Harald Thomeczek

"Manchmal reicht ein Handyvideo"

Authentische Einblicke in den Berufsalltag helfen beim Imageaufbau per Video. Dazu kann auch ein Clip vom Bürohund zählen.

Authentische Einblicke in den Berufsalltag helfen beim Imageaufbau per Video. Dazu kann auch ein Clip vom Bürohund zählen.

Quelle: pixabay.com, Urheber: sugarfoot67

Karriere 19.09.2019
Die Immobilienbranche ist noch sehr zurückhaltend damit, Videos für das Employer Branding einzusetzen. Sonja Rösch, Managing Partnerin bei der Kommunikationsagentur PB3C, will den Firmen ... 

Die Immobilienbranche ist noch sehr zurückhaltend damit, Videos für das Employer Branding einzusetzen. Sonja Rösch, Managing Partnerin bei der Kommunikationsagentur PB3C, will den Firmen die Scheu nehmen. "Es muss nicht immer der High-Class-Content sein", sagt sie. Es kommt viel mehr auf andere Dinge an.

"Manche Kunden möchten bei uns ein virales Video bestellen. Das klappt nicht."
Immobilien Zeitung: Die Mediennutzung der Bevölkerung hat sich verändert. Vieles findet inzwischen in sozialen Medien statt, der Einsatz von Bewegtbildern ist Standard. Merken Sie das auch in der Immobilienbranche?

Sonja Rösch: Ja, die Verfilmung von Objekten gehört zur Vermarktung dazu. Beim Employer Branding ist hingegen noch Luft nach oben. Ich glaube, die Kosten und der Aufwand für ein professionelles Video für und mit Mitarbeitern schreckt viele Unternehmen ab.

IZ: Was raten Sie den Firmen?

Rösch: Die Firmen müssen mutiger werden. Es muss nicht immer der High-Class-Content sein, den man auf YouTube hochlädt. Kurze Handmade-Videos mit dem Smartphone werden auch gerne angeklickt. Einfach mal mit der Kamera durch das Büro gehen, den Betriebshund filmen, die lockere Atmosphäre bei firmeneigenen Events einfangen - das interessiert die Nutzer.

IZ: Wer sind die Nutzer solcher Clips?

Rösch: Das sind vor allem junge Leute. Die Hauptzielgruppe von YouTube ist 14 bis 29 Jahre alt, gefolgt von den 30- bis 49-Jährigen. Es sind also besonders Berufseinsteiger und Young Professionals, die man mit einem YouTube-Channel erreicht. Führungskräfte hingegen würde ich eher über LinkedIn ansprechen.

IZ: Wie tickt die YouTube-Gemeinde aus Sicht eines Personalers?

Rösch: Viele von ihnen wollen die Unternehmenskultur ihres künftigen Arbeitgebers zuerst kennenlernen und sie später mitgestalten. Diesen Bewerbern können die Firmen bereits über kurze Videos aus dem Berufsalltag auf authentische Art einen Blick hinter die Kulissen bieten. Das zieht heutzutage mehr als z.B. die Aussicht auf ein hohes Gehalt.

IZ: Allein mit kurzen Clips vom Firmenhund oder dem Sektempfang am Abend kann aber doch kein Unternehmen überzeugen. Um welchen Inhalt geht es darüber hinaus?

Rösch: Wichtig ist es stets, die Unternehmenskultur und die Aufgabenvielfalt zu präsentieren. Ein Klassiker für erste Schritte bei YouTube ist das Video, in dem ausgewählte Mitarbeiter davon erzählen, wie wohl sie sich bei ihrem Arbeitgeber fühlen. Dazu sollten die Firmen zunächst eine schriftliche Befragung unter den Kollegen starten, z.B. mit Fragen wie "Was machst Du hier? Was war bislang Deine größte Herausforderung? Was machst Du gerne? Und was wäre Dein Alternativberuf geworden?" Wichtig: Es geht hier nicht nur um Informationen, sondern auch um den Menschen selbst. Aus den Rückmeldungen lassen sich Statements auswählen, die sich bereits auf der firmeneigenen Karriere-Webseite gut machen. Vielleicht bietet sich anschließend ein Video an. Das kann zunächst ruhig ein Handyvideo sein. Und im nächsten Schritt käme dann das professionelle Video.

IZ: Was sind weitere Ideen für Videos im Sinne des Employer Brandings?

Rösch: Der Einblick in den Berufsalltag ist ebenso wichtig für Berufseinsteiger. Deswegen wäre es ein guter Ansatz, sich einen engagierten Mitarbeiter aus der Abteilung mit den vakanten Stellen herauszugreifen und ihn z.B. auch auf der Baustelle zu begleiten.

IZ: Wie teuer wird ein professionelles Video?

Rösch: Das hängt von vielen Faktoren ab. Aber man kann pro Drehtag etwa 5.000 bis 10.000 Euro einplanen.

IZ: Wer solch eine Investition tätigt, will gewiss sein, dass sich der Einsatz lohnt. Wie kann man das sicherstellen?

Rösch: Es kommen Kunden zu mir, die möchten ein virales Video bestellen. Das klappt nicht. Die Viralität kann man nicht steuern, ein solches Video ist zudem oft keines, das die Hauptfigur im besten Licht zeigt. Vielmehr sollte sich das Unternehmen selbst darum bemühen, Views zu generieren. Selten läuft ein YouTube-Channel von allein, dafür bräuchte es fast täglich neuen Content. Deswegen muss YouTube als Hub genutzt werden. Das Video kann z.B. in die eigene Karriere-Webseite eingebettet werden, per Post auf Facebook Bekanntheit erlangen oder per Link an die Mitarbeiter verteilt werden, die das dann erfahrungsgemäß gerne in ihren Freundes- und Bekanntenkreis weitertragen.

IZ: YouTube wird häufig als Suchmaschine für Videos genutzt, zudem ist das Portal eine Tochter von Google. Welche Rolle spielt es da, ob ein Video suchmaschinenoptimiert ist?

Rösch: Das ist sehr wichtig. In dem Titel, in der Beschreibung und den Keywords sollten Formulierungen enthalten sein, die für das Unternehmen wichtig sind, z.B. Projektentwickler und Berlin oder Ausbildung und Immobilien. Generell werden Bewegtbilder in sozialen Medien bei Suchmaschinen hoch gerankt. Wenn der Content zudem anspricht und immer frische Inhalte nachkommen, dann läuft es noch besser.

IZ: Wie wichtig sind zur Erfolgsmessung die Zahl an Views und Likes auf YouTube?

Rösch: Die Zahl der Views hängt oft davon ab, wie viele Videos bereits gedreht worden sind, wie sie geteilt wurden und letztlich auch, wie viel Budget reingesteckt worden ist. Bei kleineren Channels kann man mit 300 bis 1.000 Views rechnen. Likes hingegen spielen auf YouTube eine untergeordnete Rolle.

IZ: Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Anke Pipke.

Anke Pipke